Dienstag, 23. Juli 2013

Kurzgeschichte - Der Mann

Hier wie angekündigt die zweite Kurzgeschichte. :)

Der Mann
Rika, Vergiss nicht Pia nach der Schule abzuholen.“ erinnerte Mom mich nun schon zum 100 mal. „Ja Mom. Ich weiß. Ich hole sie jeden Donnerstag ab und hab sie noch nie vergessen.“ ich verdrehte die Augen über ihre Besorgnis. „Ich sag es ja nur.“ meinte sie und rannte auch schon zu ihrem Auto. Ich rannte ihr nach. „Denkt dran ich bin heute Abend auf der Party von Lisa.“ rief ich. „Alles klar.“ rief sie zurück und die Autotür knallte zu. Sie war wie immer zu spät dran. Wenn sie sich nicht immer so viele Sorgen machen würde wäre sie jeden Morgen überpünktlich. Ich meine sie traute mir ja rein gar nichts zu. Sie sprach mit mir als wäre mein Gehirn ein Sieb und alles was sie sagte würde sofort wieder vergessen werden. Sie war der Ansicht Teenagern (wie ich es hasste) müsste man alles 3 mal sagen, sonst vergaßen sie es. Ich machte mich seufzend auf den Weg zur Schule. Donnerstags musste Mom immer länger arbeiten und hatte somit keine Zeit Pia von der Schule abzuholen. Ich war ja der Meinung das Pia auch alleine nach Hause gehen konnte wie alle anderen in ihrem Alter. Ich meine sie war 7 und ihre Schule war höchstes eine Viertelstunde von uns entfernt. Aber auf mich hörte ja nie jemand. Ich hatte es aufgegeben mit Mom vernünftig reden zu wollen. Ich hatte sowieso beinahe völlig aufgehört mit Mom zu reden. Sie war so über besorgt das es wirklich nur noch nervte. Was sollte in einer Kleinstadt wie dieser denn passieren?

Als ich nach der Schule meine kleine Schwester abholte war diese ganz fröhlich. Wie immer. Sie fand es ja so cool von ihrer 16 jährigen großen Schwester abgeholt zu werden. „Wie war es in deiner Schule?“ fragte Pia mich und sie klang schon genauso wie Mom. „Ganz nett.“ gab ich zur Antwort. Dann schwieg ich. „Willst du denn gar nicht fragen wie es bei mir war?“ fragte sie kichernd. „Na schön. Wie war es bei dir in der Schule?“ fragte ich daher. Sie fing an zu erzählen. Fing an bei ihrer ersten Unterrichtsstunde und das sie Mathe nun wirklich nicht mochte und machte weiter das einer ihrer Mitschüler in der Pause einer Lehrerin einen Ball an den Kopf geschossen hatte. Ganz aus versehen natürlich. „Ja, ich habe auch manchmal das Bedürfnis meinen Lehrern Bälle an die Köpfe zu schießen. Ich kann Marvin wirklich verstehen, wieso er das gemacht hat.“ sagte ich trocken. Sie lachte. Die hältfe des Schulweges lag nun schon hinter uns und eine Gruppe Schüler lief auf der anderen Straßenseite und grölte laut umher. Wie nervig konnte man sein? Da saß er wieder. Der alte Mann. Er saß ebenfalls auf der Gegenüber liegenden Straßenseite auf dem Boden. Unter ihm lag nur eine alte löchrige Decke. Er trug einen alten, löchrigen Mantel der einmal Kastanienbraun gewesen sein musste. Dazu trug er eine zerfliessene Jeans und Schuhe die beinahe schon auseinander fielen. Jedoch in ganz viele winzige Einzelteile  Dazu trug er einen alten schwarzen Hut auf dem Kopf. Der Mann saß dort jeden Tag. Starr war sein Blick wie immer nach vorne Gerichtet. „Da ist er wieder.“ sagte Pia und deutete auf dem Mann. Ich drückte ihre Hand nach unten. „Ich sehe es, aber es ist unhöflich mit dem Nackten finger auf andere Leute zu zeigen. Der alte hat es schon schwer genug, da brauch er nicht auch noch Kinder die sich über ihn lustig machen.“ mahnte ich. Entrüstet sah meine kleine Schwester mich an. „Ich mach mich überhaupt nicht über ihn lustig. Alle anderen machen das. Ich nicht.“ rief sie. Milder fügte sie hinzu:“ Außerdem mag ich ihn.“ „Du kennst ihn doch gar nicht.“ widersprach ich. „Nein, aber ich finde ihn trotzdem nett und ich finde es schrecklich das alle anderen immer auf ihm herum hacken müssen.“ schimpfte sie. Ich nickte. Ich fand es auch schrecklich. Der alte Mann galt bei den Schülern als Witz Gestalt, was häufig dazu führte das sie ihn beleidigten und ihn verachteten. Ich fand das schrecklich. Auch heute war es wieder so. Die Gruppe von Schülern die vorhin noch laut herum geschrien hatte baute sich vor dem Mann auf und sie grinsten alle hämisch auf ihn herab. „Na alter Mann. Kein zuhause? Keine Familie? Niemand der dich auch nur annähernd mag?“ fragte ein blonder Junge verächtlich. Er trat lachend Gegend den kleinen Korb der das Geld für den alten Mann sammelte. Er fiel um und die Münzen rollte über das Pflaster. Der alte sammelte hektisch die Münzen wieder ein. Jetzt fegte einer dem alten den Hut von Kopf und sein kahler grauer Kopf kam zu Vorschein. „Bringt nichts.,“lachte der andere Junge. „,Ist immer noch hässlich wie eh und je.“ „Das könnte ja nicht einmal ein Stylist wieder hinbekommen Rick. Wie wäre es mal mit einer Dusche. Weißt du was das ist?“ fragte ein blondes Mädchen kichernd. „Wir müssen was tun.“ quiekte Pia. „Komm.“ sagte ich und ging entschloss, Pia an der Hand hinter mir her ziehend, über die Straße auf die Gruppe zu. „HEY.“ rief ich. Sie drehte sich überrascht zu mir herum. „Macht das ihr verschwindet. Habt ihr nichts besseres zu tun als einem armen Mann, der euch nichts getan hat, zu beleidigen? Wie armselig.“ fauchte ich sie an. „Was will die denn jetzt?“ fragte der zweite Junge, Rick. „Oh, wie süß.“ lachte der andere, blonde Junge. „Los verschwindet.“ wiederholte ich zornig. Diese drei brachten mich wirklich in Rage. Beschwichtigend hob der Blonde die Hände. „Schon gut, schon gut. Krieg dich wieder ein Superwoman.“ er lachte. Dann drehten sie sich um und stiefelten davon. Pia hatte sich der weile gebückt und hob das restliche Geld vom Boden auf. Ich bückte mich und hob den alten Hut von der Straße auf und reichte ihm dem Mann. Er sagte nichts. Nahm ihn nur wortlos entgegen. „Die sind doch bescheuert.“ sagte ich, doch auch dieses mal schwieg er. Pia hatte inzwischen alles Geld aufgesammelt und zurück in den Korb gelegt. Er sagte noch immer nichts. Sah uns nicht einmal mehr an. „Komm.“ sagte ich leise zu Pia und zog sie weiter. Wie unhöflich, dachte ich und sah noch einmal zurück. Der Mann sah uns mit starren, leeren Blick nach.

Die Party war nicht so wie ich sie erwartet hatte. Es ging nur ums Saufen und um Kiffen. Überhaupt nicht mein Ding. Daher zog ich mich schon um halb Zwölf zurück. „Hey, ich muss heute leider schon halb Zwölf gehen. Morgen ist Schule und du kennst ja meine Mom.“ sagte ich zu Lisa, der Gastgeberin. „Geht klar. Danke das du da warst.“ sie umarmte mich kurz und ich verschwand dann schnell nach draußen. Weg von dem Getummel.
Die Straßen waren recht ruhig. Zum Glück wohnte Lisa nicht allzu weit von unserem Haus entfernt. Gleich würde ich an der Stelle ankommen wo wir heute den alten Mann verteidigt hatten. Ich war nicht gerade scharf darauf ihm noch einmal zu begegnen. Klar, er tat mir ehrlich Leid, dass er so leben musste wie er es nun einmal tat, aber mir graute es davor ihm im Dunkeln zu begegnen. Ich konnte im Licht einer einzelnen Laterne die alte verschlissene Decke, mit einer zusammen gekauerten Gestalt darauf sehen. Leider war ich dieses mal auf der gleichen Straßenseite. Es ist doch nur ein alter schlafender Mann, dachte ich krampfhaft und dennoch fürchtete ich mich ein bisschen. Ob ich einfach die Straßenseite wechseln sollte? Ich wog die beiden Seiten ab und auch wenn ich mir dabei ziemlich blöd und wie ein ängstliches Huhn vorkam, beschloss ich die Seite zu wechseln. Nur für alle fälle. Es war schließlich schon Stockdunkel und mit Sicherheit gleich Zwölf Uhr. Es war still. Kein Laut war zu hören. Ich warf dem Mann noch einen prüfenden Blick zu , er schlief, dann stellte ich mich an den Straßenrand und ließ ein Auto an mir vorbei brausen, bevor ich selbst die Straße erneut kontrollierte und langsam und leise auf die andere Seite zuging. Ein plötzliches lautes brummen ließ mich aufschrecken und ich sah ein Auto um die Ecke schießen. Noch bevor es mich erreichte wusste ich das ich nicht mehr ausweichen konnte. Es raste ohne jede Vorsicht über die Straße, direkt auf mich zu. Ich schrie auf und wurde im selben Moment nach vorne geschleudert. Hart knallte ich auf dem Pflaster auf. Hatte das Auto mich erwischt? Nein, es fühlte sich alles noch gut und heil an. Nur meine Handflächen brannten vom abfangen des Sturzes und Blut rann meinen Arm hinab. Ich musste wirklich heftig aufgekommen sein. Aber wie war es möglich das das Auto mich nicht erwischt hatte? Ich sah mich um. Merkte das ich zitterte. Das Auto war stehen geblieben und ein Mann stolperte heraus. Doch mein Blick ruhte nicht auf dem Mann aus dem Auto, sonder auf der Gestalt die blutend am Boden lag. Es war der alte Mann. Zitternd kam ich auf die Beine und stolperte auf ihn zu. Dann ließ ich mich neben ihn fallen. Er sah noch schlimmer aus als sonst. Sein Bein lag merkwürdig verdreht da und aus einer großen Wunde an seinem Kopf strömte Blut. Es hatte sich schon eine rote Pfütze gebildet  Mir wurde schlecht. Nein. Nein. Nein. Der Arm des Mannes musste ebenfalls gebrochen sein. Sicherlich auch ein paar Rippen. „Rufen sie einen Krankenwagen.“ schrie ich dem Wagenfahrer zu. Benommen und blass sah er mich an. „Ich wollte nicht... ich hab nicht viel getrunken...“ stammelte er. „Machen sie schon.“ schrie ich. Hastig zog er mit zitternden Händen das Handy aus der Tasche und ich wandte mich widerwillig wieder dem sterbenden Mann neben mir zu. Ich überwand mich dazu nach seiner Hand zu greifen. Blinzelnd öffnete er die Augen und sah sich matt um. Ich könnte schwören die Sterne in seinen Augen zu sehen. Ich könnte schwören zu sehen wie das Licht immer weiter in seinen Augen erlosch.“Hilfe ist unterwegs.“ murmelte ich. Er schwieg. „Warum? Wieso haben sie mich gerettet?“ flüsterte ich mit krächzender Stimme. Denn genau das hatte er getan. Er hatte mich beiseite geschubst und sich geopfert. Der Mann musste große schmerzen haben. Er stöhnte und öffnete ein paar mal nur den Mund um ihn gleich darauf wieder zu schließen. Schließlich sagte er mit sehr leiser Stimme. „Du...hast mir geholfen. Jetzt sind wir...Quit. Du...hast ein gutes Herz...und dein ganzes Leben noch vor dir.“ „Aber...“ brachte ich nur hervor. Der Mann sah mir in die Augen. „Ich habe nichts mehr...bin allein...meine Familie...meine Tochter...habe niemanden...du erinnerst mich an sie...an Lucy...meine Tochter...ich bin alt...und so allein...so allein...lebe dein Leben mädchn...lebe es.“ flüsterte er immer unverständlicher. Immer leiser. „Der Krankenwagen ist unterwegs.“ rief der Mann mit zitternder Stimme. „Es ist zu spät.“ höre ich mich sagen. Die Hand in meiner ist schlaff und leicht als wäre sie Hohl. Die Augen des Mannes nach oben gerichtet. Kalt und starr. Er hatte mich gerettet. Der Mann der von allein verachtet und beleidigt worden war, war so selbstlos gewesen und hatte mir das Leben gerettet. „Danke.“ flüsterte ich leise und schloss seine Augen.

Leider kein Happy end, zumindest nicht für den Mann. 

Ellen

7 Kommentare:

  1. Hey :) danke für dein Kommentar :*
    Und wirklich tolle Geschichte *-* :o vor allem zeigt sie genau das, was man immer wieder mitbekommt, vor allem am Anfang als diese Gruppe von teenies den mann so niedermacht

    Toll geschrieben! :)

    AntwortenLöschen
  2. wirklich traurige Geschichte. Aber hat auch eine Gute Moral.
    (auch danke für die Netten Kommentare und den Gästebuch eintrag)
    LG Janina

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Danke fürs kommentieren. :D :)

      Löschen
    2. Eintrag ins Gästebuch? Hab ich da einen gemacht? (Du hast ein Gästebuch? :D) Entweder bin ich vergesslich oder blind. Ich guck einfach mal nach und wenn da keiner ist, mach ich trotzdem einen. :D

      Löschen
    3. oh sry war Luisa, aber danke für den jetztigen ^^

      Löschen