Hier eine neue Kurzgeschichte. Hoffe sie gefällt euch.
Das
Kind
Es war erst ein kleines Kind.
Ein Kind, das noch an Wunder glaubte. Ein Kind das seine Mutter
brauchte. Doch diese wurde ihr entrissen. Brutal, nahm das Schicksal
dem kleinen Kinde die Mutter. Leukämie lautete die Diagnose.
Doch die Diagnose lag schon ein
Weilchen zurück. Die Mutter des Kindes lag schon im sterben. Schwach
lag sie im Bett. Die Arme, so dünn wie Stroh, lagen schlaff neben
ihr. Die Schläuche an ihren Armen führten in Merkwürdige Behälter und
sorgten für ständige Schmerzlosigkeit. Das Gesicht der Mutter war eingefallen und unendlich Müde. Ihre sonst so strahlend blonden
Haare, die im Sonnenlicht immer hell gestrahlt hatten waren nur noch
kurze glanzlose Stuppeln auf ihrem Kopf. Sie umrahmten ihr Gesicht
nicht mehr. Dafür hatte die Chemotherapie gesorgt. Ihre grünen
Augen verloren immer mehr von dem Lebendigen Glanz die sie sonst
immer Ausgestrahlt hatten.
Als das Kind das Zimmer betrat
um noch ein letztes mal mit ihrer Mutter zu reden, war es schon
beinahe zu spät. Sie kämpfte. Die Mutter kämpfte ihren letzten
Kampf um ihrem Kind zu sagen was es noch zu sagen gab. Doch als ihr
Kind ihre Hand ergriff und todunglücklich zu ihr aufsah, öffnete
sie den Mund und brachte nur ein leises hauchen heraus. „Mama?“
fragte das Kind. „Mama. Verlässt du mich? Jetzt schon?“ tränen
sammelten sich in des Kindes Augen und es sah furchtbar verletzlich und noch kleiner aus als sonst. Eine große Hand legte sich auf die
Schulter des Kindes. „Verabschiede dich von ihr. Es wird Zeit.“
sagte die Stimme. „Nein, sie darf mich nicht verlassen. Mama!“
die Stimme des Kindes wurde immer verzweifelter. Doch die Mutter
hörte sie schon nicht mehr. Die Schwärze hatte sie verschlungen.
Es ist nie leicht für ein Kind
seine Mutter zu verlieren. Ohne sie aufzuwachsen. Doch manchmal geht
das Leben einfach weiter. Gnadenlos! Ohne Mitleid. Ohne Schuld.
2 Jahre Später stand das Kind
draußen. Es war oft draußen. Am liebsten bei Sonnenschein. Dann
erinnerte es sich immer an seine Mutter, wie die Sonne auf ihr Haar geschienen und sie gelächelt hatte. Sie fehlte ihr. An diesem Tage
schien die Sonne nicht. Trüb lagen die Wolken auf dem Himmel und
zogen bedrohlich weiter. Es war sehr windig. Mit einem
kleinen selbst gebastelten Drachen in der rechten und einen hübschen Blumenstrauß, lauter Waldblumen, in der linken marschierte das Kind
durch die Straßen. Vorbei an den Menschen. „Na kleine, wohin des Weges?“ sprach ein dicker Mann es an. „Zu meiner Mama.“
antwortete das Kind und öffnete die rostige Metalltür, die zum
Friedhof führte. Der Weg war ihm vertraut. Schnell schritt es voran
und blieb dann vor einem kleinen hübschen Grabstein stehen. Das Grab
war voller Blumen. Jeden Tag brachte das Kind seine Blumen vorbei.
Rasch rupfte es die alten Blumen, die bereits verwelkt waren heraus
und legte den neuen Strauß nieder. „Hallo Mama.,“ sprach es
schließlich. Die Stimme hoch und lieblich. „Ich habe dir wieder
Blumen mitgebracht. Wie jeden Tag. Freust du dich? Ich sorge immer
dafür das dein Grab das schönste von allen ist. Ich nehme immer nur
weiße und gelbe Blumen, die schön leuchten. Die genauso leuchten
wie du immer gelächelt hast. Wie dein Haar im Sonnenlicht geleuchtet hat.“ Eine weile Schwieg es. „Sieh mal
Mama. Papa hat mir gezeigt wie man sich einen eigenen Drachen baut.
Ich will ihn gleich mal ausprobieren. Denn habe ich für dich gebaut.
Es ist ein Geschenk. Ich stelle mir einfach vor ich sei der Drache an
der Schnur. Dann bin ich dir ganz nahe.“ es lächelt traurig. Der
Wind fuhr dem Kind durch die Haare. Es schloss die Augen und stellte
es sich als eine sanfte Berührung vor. Als eine Berührung ihrer
Mutter. Doch der Wind war zu stark. Es klappte nicht. „Ich muss
jetzt gehen Mama. Aber ich komme morgen wieder. Mit Blumen. Wie
immer.“ sagte es und machte sich auf den Weg zum Strand. Dort wehte
immer der stärkste Wind. Auf dem Weg begegnete es dem Pfarrer.
„Guten Morgen Pfarrer.“ grüßte es höflich. „Guten Morgen
mein Kind. Warst du heute schon bei deiner Mutter?“ fragte er
freundlich. „Natürlich. Mit Blumen. Wie immer.,“ es lächelte
stolz. Der Pfarrer lächelte zurück. „Und wohin geht’s jetzt?“
fragte er. „An den Strand, dort werde ich meinen Drachen steigen
lassen.“ es winkte zum Abschied und schritt davon. Amüsiert sah
der Pfarrer ihr nach. So ein wundervolles Kind, dachte er.
Es klappte. Der Drache flog in
die Luft. Hoch oben am Himmel zog er seine Kreise. Das Kind lachte.
„Es funktioniert. Es funktioniert.“ schrie es vergnügt und jagte
mit großen Sprüngen über den Sand. Belustigt sahen einige Passanten den glücklichen Kind beim spielen zu. So ein glückliches Kind,
sieht man selten. Es hat bestimmt alles was es sich nur wünschen
kann. Was für ein Glückspilz, dachte ein Mann der dem spielenden
Kind zusah. Kopfschüttelnd ging er weiter. Was für eine ungerechte
Welt dies ist. Die einen haben alles die anderen nichts...
So ein verwöhntes kleines Kind.
Brüllt hier herum als wäre es die einzige Person am Strand. So eine Unverschämtheit Wo bloß die Eltern des Kindes sind, dachte eine am
rande sitzende alte Dame. Mürrisch verzog sie das Gesicht.
Lachend und umher springend
rannte das Kind weiter. Es war so glücklich. Das Geschenk für seine
Mutter war gelungen. Ob sie ihm wohl gerade zusah? Es stellte sich,
wie versprochen, vor es sei der Drache. Es verspürte Sehnsucht
danach selbst dort oben zu schweben. Schwerelos und leicht. Nahe dem
Wolken. Nahe seiner Mutter.
Eine heftige Windbö riss an den
Drachen und der Drache selbst zog das Kind mit sich. Es gab einen
Überraschten laut von sich und in plötzlicher Windstille fiel der
Drache nach unten und hing in einem Baum. Das Kind selbst stolperte
und riss sich das Knie an einem Stein auf. Es fiel in den Sand und
sah mit großen Augen zu dem Baum hinauf. Dann fing es lauthals an zu
weinen. Der Mann und die alte Frau, sowohl auch eine junge Mutter zweier
Kinder, die ahnungslos im Sand spielten, liefen zu ihm um zu helfen. Mürrisch blieb die alte Dame
neben dem Kind stehen. Auch das noch. Kann es nicht besser aufpassen? Dachte sie verärgert. Die Mutter ging zu dem Kind und kniete sich
neben es. „Hast du dir was getan?“ fragte sie besorgt. Es heulte
weiter. „Das wird schon wieder. Wir verbinden das und ganz schnell
tut es nicht mehr weh.“ versuchte sie zu trösten. „Mein Drache,“
weinte das Kind. „Wichtig ist doch nur das dir nichts passiert
ist.“ sagte die fremde Mutter und strich dem Kind übers Haar. „Wo
sind deine Eltern? Hast du keine Eltern die auf dich aufpassen
können?“ blaffte die Dame das Kind an. „Wo ist deine Mama?“
fragte die Frau sanft. Das Kind deutete zum Himmel. Verwirrt sah die
Frau es an. „Mein Drache. Mein Drache war ein Geschenk für meine
Mama.“ heulte es. „Ja, aber wo ist denn deine Mutter?“ fragte
der Mann der daneben gestanden hatte reichlich verwirrt. „Da oben.
Sie guckt mir von da oben zu.“ schluchzte es. Die ältere Dame
sagte nichts mehr. Ihr fiel einfach nichts mehr ein. Auch der Mann
war verstummt. Ich dachte er wäre ein so fröhlicher Junge. Der
schein trügt. Dachte dieser. Auch die junge Frau schwieg. Betroffen. Das
Kind sah sie der Reihe nach an. Dann plötzlich wischte er sich die
Tränen ab. „Es ist nur ein Traum nicht wahr? Das sie mich hört
wenn ich mit ihr rede. Das sie mir zusieht wenn ich sie drum bete.
Das bilde ich mir nur ein, nicht wahr? So ist es doch oder?“ fragend sah
es die um ihn herum stehenden Menschen an. Doch sie sahen ihn nicht
mehr an. Verlegen und betroffen sahen sie alle weg. Wichen seinem
Blick aus. „Das weiß keiner.“ sagte der Mann nach einer langen
Pause und erntete von der jungen Mutter einen finsteren Blick, der so
viel sagte wie Mach-es-nicht-noch-schlimmer-als-es-ist. Doch die
Worte waren gesprochen. Langsam senkte das Kind den Blick. Sah zu
seinem blutenden Knie hinab. Es wischte das Blut mit dem Ärmel
seiner Jacke ab. „Ist nur ein Kratzer.“ sagte es mit gefühlsloser
Stimme. Es rappelte sich auf und sah lange die schnur in seiner Hand
an. Die Schnur zu seinem Drachen. Das Geschenk für seine Mutter.
Dann ließ es sie fallen. Sie fiel in den Sand und das Kind sah nicht
mehr hin. „Mir geht es gut. Ich glaube ich werde jetzt nach Hause
gehen.“ sagte es ruhig. Es schien verändert. „Ist wirklich alles
in Ordnung?“ fragte die junge Mutter. „Ja, danke.“ langsam ging
das Kind davon.
Als es die anderen Passanten hinter sich gelassen hatte ließ es seinen Tränen freien lauf.War
alles eine Lüge? Hatte seine Mutter kein einziges Wort mehr von ihm
gehört? Trieb sie in einem Namenlosen nichts herum? War das der Tod?
Das nichts? Weinend lief er weiter. Mit hängenden Schultern. Nie
wieder. Nie wieder wollte er Blumen pflücken. Was brachte es Blumen
auf ein einsames leeres Grab zu legen? Was brachte es mit jemanden zu
reden der einen nicht hören konnte? Plötzlich wurde es in helles
Licht getaucht. Das Kind schloss die Augen und schirmte sie rasch ab.
Was war passiert? Ob es Tod war? Dann erst wurde ihm bewusst das die
Sonne schien. Ihr Licht strahlte hell und klar auf es herab. Die
Sonne. Sofort dachte es wieder an seine Mutter. Es hob den Blick zu
den Wolken. Und erstarrte. Diese Wolke. Sie sah aus wie ein Gesicht.
Ein ihm sehr bekanntes Gesicht. Es sah aus wie das Gesicht seiner
Mutter. Jede Faser, jedes Haar lag richtig. Ob es Träumte? Es
blinzelte und sah noch einmal genauer hin. Doch das Bild blieb. Mit
aufrechten Schritten setzte das Kind seinen Heimweg fort. Ein leises
lächeln auf den Lippen. Es würde seine Mutter wiedersehen. Da war
es sich sicher. Doch erstmal musste es etwas zu Abendessen und ein
bisschen schlafen gehen. Es müsse morgen früh schließlich wieder
Blumen pflücken gehen.
Eine Blogvorstellung ;) :http://gedankenbahnen.blogspot.de/2013/06/blogvorstellung_26.html?showComment=1381682125439#c5050205692134677770
Ellen
Wow. Echt wirklich richtig wunderschön. Hat mich zu Tränen gerührt. Obwohl ich die dritte Person nicht mag und vorallen nicht "es", hast du es genau richtig gemacht, finde ich. Es ist nicht nur traurig sondern hat auch einige "Lehren" sozusagen. Echt toll.
AntwortenLöschenJanina
Dankeschön, freut mich. Habe gar nicht so eine gute Rückmeldung erwartet.
LöschenIch selbst mag die Dritte Form auch nicht, aber die Idee war schlecht in der Ich-Perspektive durchzusetzen, dazu kommt das ich das auch mal probieren wollte und das "Es" mag ich auch nicht sonst so gern. Aber ich habe den Kind weder Namen noch Geschlecht geben wollen. Es wäre sonst auf die Person bezogen worden. Habe lange überlegt wie ich es mache. :) Habe mich hierfür entschieden.
Danke :)